Redebeitrag der DGB Jugend zum 1. Mai 2023, Potsdam

Ungebrochen solidarisch: Arbeiter*innen- und Klimakämpfe verbinden!

Bild von der Bühne auf der Demonstration zum 1. Mai 2023, während der Rede. Vor der Bühne und hinter den Redner*innen sind Fahnen und Transparente zu sehen.

Redebeitrag der DGB Jugend zum 1. Mai 2023, Potsdam

Wir stecken mitten in einer wirtschaftlichen, industriellen und gesellschaftlichen Transformation. Auch wenn der Klimaschutz nicht schnell genug vorangetrieben wird, um Kipppunkte zu vermeiden, verändert sich etwas in unserer Gesellschaft und in unserer Art zu wirtschaften. Das kommt nur daher, dass Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen in den letzten 50 Jahren Erstaunliches geleistet haben. Sie waren das Frühwarnsystem einer globalen Gesellschaft, dass vor der großen Welle warnt, die uns alle überrollen wird, wenn wir sie nicht vorher ausbremsen.

In den letzten 50 Jahren haben wir alle erfahren, was wir als Gewerkschaften schon immer wussten: Wir können uns nicht auf Arbeitgeber*innen und Politik verlassen, wenn es darum geht eine soziale Welt und eine Arbeitswelt zu schaffen, die unschädlich ist – für uns und für die kommenden Generationen. Wir können zum Beispiel nicht darauf warten, dass der Staat in den kapitalistischen Markt derart stark eingreift, dass es ausreichend große Anreize gibt, die eigene Produktion klimaneutral zu gestalten – und trotzdem noch Profite zu machen. Wo kommen wir hin, wenn wir weiter mit unseren Steuern die Profite der Großkonzerne zahlen, wie es im Fall von klimaschädlichen Subventionen bereits der Fall ist? Wir können auch nicht darauf warten, dass die Geschäftsführung plötzlich beschließt, die Arbeitszeit für alle zu reduzieren, dabei aber das volle Gehalt zu zahlen, mehr Leute einzustellen und gleichzeitig auch noch die unteren Einkommensgruppen aufzuwerten. Hat das jemals funktioniert? Nein! Übernehmen die Arbeitgeber die Verantwortung für die Beschäftigten in Zeiten der Inflation und zahlen uns von sich aus einen Ausgleich? Definitiv nicht! Stattdessen legen sie uns, wie aktuell im öffentlichen Dienst oder bei der Deutschen Bahn lächerliche Angebote vor. Wir übernehmen Verantwortung für die Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung in diesem Land, indem wir uns in den Krankenhäusern und Kitas organisieren und die öffentliche Daseinsvorsorge so gestalten, dass man gerne als Pflegekraft und Erzieher*in arbeiten möchte. Es sind unsere Kolleg*innen, die selbst während einer Pandemie gearbeitet haben, um Versorgungssicherheit zu schaffen. Es waren nicht die Unternehmen, die in egal welcher Krise, sei es Pandemie, Krieg in Europa oder Klimawandel, nur handeln, wenn es für sie profitabel ist. Wenn wir in Betriebs- und Personalräten Betriebs- und Dienstvereinbarungen abschließen, die die Beschäftigten schützen, prekäre Gruppen mit einbeziehen und ihren Alltag verbessern, dann ist das Mitbestimmung. Und Mitbestimmung ist Verantwortungsübernahme.

Als Gewerkschaften haben wir einen ungeheuren Erfahrungsschatz, wenn es darum geht, Verantwortung für unsere Arbeits- und Lebensbedingungen zu übernehmen. Wir wissen, dass Menschenrechte und Grundrechte uns nicht geschenkt, sondern unter großen Opfern erkämpft worden sind. Wir wissen auch, dass sie – einmal erkämpft – nicht in Stein gemeißelt sind, sondern ein andauernder Aushandlungs- und Durchsetzungsprozess. Ich denke z.B. an unsere Kolleg*innen aus dem inner- und außereuropäischen Ausland die während der Pandemie durch die deutsche Fleischindustrie, die riesige Mengen an Treibhausgasen ausstößt und Förderer der Massentierhaltung ist, auf die widerlichste Art ausgebeutet wurden und mitunter, trotz erster gewerkschaftlicher Erfolge mit der NGG, noch immer werden. Diese Kolleg*innen wurden und werden systematisch um ihren Lohn und Erholungszeit betrogen. Ihnen werden grundlegende Rechte abgesprochen, die sie sich jetzt hoffentlich mit uns an ihrer Seite zurück erobern werden. Dies geschah in den gleichen Jahren, in denen die Konzerne 5% Dividenden an ihre Aktionär*innen an der deutschen Börse ausgeschüttet haben. Oder ich denke an die Kolleg*innen in der Logistikbranche, die aufgrund des immer noch anwachsenden Konsumverhaltens explodiert, die sich grenzübergreifend organisieren und rote Linien einziehen, während ihnen immer mehr zugemutet wird. Auch das ist ein massiver klima- und umweltschädlicher Industriezweig.

Diese Kämpfe um Grundrechte, um Anerkennung, um Mitbestimmung, um gute Arbeit und guten Lohn sind nicht vorbei. Im Gegenteil! Und sie werden noch um mindestens eine weitere Dimension erweitert: Den Kampf für die Freiheiten von künftigen Generationen. In diesem Kampf, den wir führen müssen, geht es um Klimagerechtigkeit.

Die Welle wird kommen. Um sie aufhalten zu können, hätten wir deutlich früher reagieren und umsteuern müssen. Doch genug mit „hätte“. Wir sind im Jetzt.

Die Frage ist nun: Wie heftig trifft uns die Welle? – und wer ist eigentlich uns? Und: Für wen sind wir bereit Verantwortung in unserem Handeln zu übernehmen?

Geographisch und finanziell unterschiedlich ausgestattete Regionen werden durch den Klimawandel durch die schleichenden und die heftigen Veränderungen, wie Extremwettereignissen, unterschiedlich – und unterschiedlich stark – betroffen sein. Dürreperioden, Ernteausfälle, Hitze, Trockenheit, Waldbrände, Waldsterben, extremer Niederschlag, Mücken und Viren, aussterbende Arten, vertrocknete oder umgekippte Seen und Flüsse bei kurzzeitigen Überflutungen… – kommt euch das bekannt vor? Das sind die Veränderungen, die wir schon jetzt in Brandenburg aufgrund des Klimawandels beobachten können und die sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten intensivieren werden. Die Region Berlin-Brandenburg gehört zwar in Deutschland zu den am stärksten verwundbaren Gebieten, das ist aber nichts im Vergleich zu anderen Regionen auf der Welt. Die lebensfeindlichen Flächen werden sich ausweiten und wir Menschen werden zusammenrücken müssen. In den nächsten 30 Jahren werden 31 Staaten vermutlich zu großen Teilen unbewohnbar sein, darunter z.B. Syrien, Pakistan, Angola oder Madagaskar, und eine Milliarde Menschen werden deshalb fliehen müssen. Eine Milliarde Menschen.

Hier in der BRD zeigt sich deutlich, dass je reicher ein Mensch ist, desto umweltschädlicher ist sein Verhalten. Wir in Europa gehören zu den 10%, die über ihre, über die planetaren Verhältnisse gelebt haben und leben. Und am Ende sind die Menschen, die am wenigsten Klimaschäden verursacht haben, diejenigen, die am meisten unter dem Klimawandel leiden und leiden werden.

Das ist nicht gerecht.

Die Arbeiter*innenbewegung, die heute wir sind, und aus deren Anlass wir uns heute hier am 1. Mai versammelt haben, war immer ein internationaler Kampf für Menschenrechte. Heute muss dies bedeuten, soziale Gerechtigkeit in der ökologischen Transformation durchzusetzen.

Was bedeutet das für uns als Gewerkschaften?

Das bedeutet erstens, dass wir den Klimawandel und die Begrenztheit der ökologischen Ressourcen als wichtigen Bestandteil für Leben, Arbeit und Wirtschaft anerkennen und mitdenken müssen. Und diesen ersten Schritt, den wir gerade dabei sind zu gehen, kann man nicht genug betonen. Denn tun wir das nicht, haben wir den Kampf verloren, bevor wir ihn begonnen haben.

Das bedeutet zweitens, dass wir die Ziele, die wir sowieso haben: Mitbestimmung im Betrieb, Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen und soziale Gerechtigkeit, unter dem Punkt des Klimawandels vehement und schnell angehen und betrachten müssen.

Das bedeutet drittens, dass wir uns und unsere Kolleg*innen für diese Ziele weiterhin organisieren müssen. Wir können nicht hinnehmen, dass mitten in einer Transformation, in der es auf uns alle ankommt, nur noch eine Minderheit der Beschäftigten in Betrieben arbeitet, in denen es sowohl eine Tarifbindung als auch einen Betriebsrat gibt. Wir können nicht hinnehmen, dass ganze Branchen weiße Flecken auf der Landkarte der gewerkschaftlichen Organisierung sind.

Und das bedeutet viertens, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Dass wir uns mit unseren Ängsten und Sorgen anerkennen, einander zuhören, Jung und Alt, im globalen Norden und im globalen Süden, Arbeiter*innen und Klimabewegte, Industrie-, Dienstleistungs- und Bildungsgewerkschaft, und gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Wir müssen vor die Welle kommen, die der Klimawandel ist, wenn wir für unsere Mitglieder, für die Beschäftigten, für uns sichere Zukunftsaussichten schaffen wollen. Jede Organisierung ist zwecklos, wenn wir den Klimawandels, als allumfassendes Thema nicht anerkennen – und das betrifft insbesondere die Beschäftigten in den emissionsreichen Industrien und Branchen.

Wenn wir uns aber rechtzeitig in Betrieben organisieren und Mitbestimmungsrechte einfordern, haben wir ein Druckmittel: Wir können kollektiv handeln. Schon jetzt gibt es z.B. die Praxis Betriebsvereinbarungen zum Umweltschutz abschließen – diese Praxis können wir auf Klimaschutz ausweiten und Unterstützung im Betrieb organisieren. Denn nur wenn wir kollektiv handeln, und das ist der Grundgedanke von Gewerkschaften, und unser Wissen als diejenigen, die die Arbeit am Ende leisten, zusammentun, können wir Verantwortung für uns, die zukünftigen Generationen und die uns umgebende Umwelt übernehmen. Wenn wir kollektiv handeln, können wir uns gegen die kapitalistischen Interessen der Profitmaximierung von Unternehmen und Aktionär*innen wehren. Wir können der rücksichtslosen Extraktion und Zerstörung von natürlichen Ressourcen, den Emissionen und der Umweltverschmutzung etwas entgegensetzen – auch und gerade, wenn wir an diesen Produktionsprozessen als Beschäftigte beteiligt sind.

Ein Beispiel des zukunftssichernden Wandels könnte die Zusammenarbeit der Betriebsräte von Deutsche Bahn und LEAG in der Lausitz sein, wo es darum geht die Fachkräfte von LEAG lückenlos in die DB-Strukturen zu übernehmen. Auch in der Frage, wie die Ernährungs- und Bausektoren ihre Klimaziele erreichen können, brauchen wir verstärkte Mitbestimmung der Beschäftigten – unter der Bedingung des Klimawandels. Aber auch im Dienstleistungs- und Bildungsbereich stellen sich drängende Fragen in Bezug auf den Klimawandel. Wir müssen das Bildungssystem umbauen, sodass wir Schüler*innen unterstützen Verantwortung in einer sich verschärfenden Zukunft zu übernehmen, wir müssen das Bildungssystem in sich demokratisieren und Klimabildung als Querschnittsthema in allen Fächern verankern. Wir müssen die Berufs- und Erwachsenenbildung stärken, damit wir zeitnah ökologisch umschulen können. Aktuell lehren die Schüler*innen eher uns, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

Wir müssen die Arbeit am Menschen zentral stellen und Sorge- sowie Gesundheitsarbeit stärken. Wir müssen die Arbeitsbedingungen in allen für uns lebensnotwendigen Dienstleistungen so gut gestalten, dass wir genug Menschen finden, die dort arbeiten wollen, und es ihnen dabei gut geht. Wir werden diese zusätzlichen Ressourcen z.B. im Gesundheitssystem brauchen, denn zu den vermehrten Viren, Kreislauferkrankungen, etc. kommt ein demografischer Wandel, für den wir auch Verantwortung übernehmen müssen.

In jedem Beruf müssen wir die Frage stellen: Wie geht ressourcenschonendes Arbeiten? Und wenn die Antwort lautet: „Ehrlich gesagt geht das nicht, denn das Produkt ist das Problem.“ Dann müssen wir fragen: Wie soll es für uns weiter gehen? Denn der vermeintliche Interessenskonflikt zwischen Klima- und Gewerkschaftsbewegung besteht, nur wenn wir als Gewerkschaft im kurzfristigen Denken verharren, auf die Steuerung des Marktes oder Politik vertrauen und den Klimawandel nicht als Grundbedingung für unser Handeln anerkennen.

Ich kann auf jeden Fall für mich sprechen, wenn ich sage: Ich will mehr von dieser Transformation. Ich will, dass das die kapitalistische Wirtschaft mit ihren rassistischen Strukturen zurückgedrängt wird, denn sie ist die Wurzel des Problems und solange wir auf Wachstum in allen Branchen setzen und auf ein völlig instabiles Finanzsystem vertrauen, werden wir dem guten Leben und der globalen Verantwortung für unseren Planeten nicht wesentlich näherkommen.

Aber… Wir haben keine Zeit mehr und müssen JETZT handeln. Und wir müssen jetzt sofort da anfangen, wo wir können. Für mich heißt das, immer über die aktuellen Verhältnisse hinaus zu denken und gleichzeitig im Hier und Jetzt anzupacken.

Ich verstehe, wenn ihr Angst vor der Veränderung habt. Aber Angst kommt von dem Gefühl dem Neuen ausgeliefert zu sein.

Wir brauchen keine Angst haben, wenn wir die Transformation selbst gestalten.

Die gleiche Erfahrung, die wir mit den Arbeitgebern gemacht haben, hat die Klimabewegung mit den Regierungen gemacht. Sie reden viel, aber tun nicht genug, um die Klimaziele, deren Nichterreichung die Bedrohung unserer Lebensgrundlage bedeutet, umzusetzen. Viele jüngere Menschen und Klimabewegte haben Angst davor, dass gerade nichts passiert. Und deswegen greifen sie zu immer drastischeren Maßnahmen, um Druck auf die Regierung auszuüben. Dieser Protest gehört genauso wenig kriminalisiert, wie unser Streikrecht eingeschränkt gehört.

Einige Industrien und Berufe werden keine Zukunft haben oder sich sehr stark verändern. Das bedeutet aber nicht, liebe Kolleg*innen, dass eure Arbeit umsonst war. Das bedeutet nicht, dass ihr nicht stolz sein dürft auf eure Arbeit und eure Lebensleistung!

Es ist okay, die Veränderungen zu betrauern. Es ist okay, sich bestimmte Dinge in Ehren zu halten und an sie zu erinnern. Auch das wird unsere Aufgabe als Gewerkschaften in den nächsten Jahren sein. Wir brauchen eine erweiterte Erinnerungskultur, in der Raum für die geleistete Arbeit von uns und unseren Kolleg*innen ist.

Von der Klimabewegung wird der Diskurs manchmal sehr radikal geführt. Das ist zwar gut so, aber kann auch Gefühle verletzen. Ihr wisst, was ihr geschafft habt, und wir können uns gegenseitig die Anerkennung dafür geben – selbst wenn es sonst niemand tut. Und gleichzeitig müssen wir loslassen und zum Transformator der Wirtschaft und der Wirtschaftsbeziehungen werden.

Wir müssen uns zusammentun und gemeinsam handeln. Ich habe anfangs gesagt, dass wir bereits mitten in der Transformation sind: Dort wo sich Strukturen verändern, liegt auch immer die Möglichkeit, sie zu gestalten. Wir können jetzt dafür sorgen, dass gute und klimaneutrale Arbeit, Tarifbindung, Mitbestimmung etc. entgegen dem neoliberalen Trend des Unionbustings und der individuellen Verhandlungen zu einer Selbstverständlichkeit werden.

Diejenigen, die primär Profit- oder Sparsamkeitsinteressen verfolgen, wissen wie viel wir erreichen können, wenn wir uns zusammentun. Das hat man erst neulich in dieser Tarifrunde im öffentlichen Dienst und bei der Bahn gesehen, wo ver.di, die EVG und Fridays for Future gemeinsam unter dem Motto #wirfahrenzusammen gestreikt haben. Sofort sprachen die Arbeitgeber von einer „unverhältnismäßigen Ausdehnung des Streikrechts“. Und das obwohl in der BRD im internationalen Vergleich eines der restriktivsten Streikrechte gilt. Das zeigt uns, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist und wie wirksam sie sein kann!

In einer globalen Wirtschaft müssen wir uns außerdem international vernetzen. Wir müssen uns entlang von Produktions- und Lieferketten und Sorge- und Bildungsgemeinschaften organisieren. Das hat in der Logistikindustrie bereits zu ersten Erfolgen geführt z.B. bei Amazon. Das gilt aber auch für die produzierende Industrie mit vielen global verteilten Standorten und Zulieferern, sowie für die Pflege, in der, anstatt die Arbeitsbedingungen strukturell zu verbessern, Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden. Dabei werden Löcher in die jeweils regionale Sorgegemeinschaft gerissen, die wiederum von noch schlechter bezahlten Beschäftigten aus einer anderen Region gestopft werden müssen. Das ist nicht gesund für unsere Gemeinschaften und führt zu Einsamkeit auf vielen Seiten.

Wir sollten nicht nur solidarisch mit unseren migrantisch Kolleg*innen im Betrieb sein, sondern auch mit allen Menschen auf der Flucht. Die weltweiten Migrationsbewegungen haben sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht, darunter immer mehr Flüchtende, die ihr Zuhause aufgrund eines lebensbedrohlichen Klimas, sei es politischer, versorgungs- oder umweltbezogener Art, verlassen müssen. Wir müssen Verantwortung übernehmen: Wir müssen uns für eine niedrigschwellige und bedingungslose Asyl- und Migrationspolitik einsetzen. Wir müssen uns im Betrieb und auf der Straße gegen Rassismus stellen und rechten Parolen Einhalt gebieten.

Es muss uns doch darum gehen, es jemanden einfach nicht schwer zu machen. Insbesondere nicht denjenigen, die in Not sind.

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Wenn alles, was wir unserem Alltag tun, kaufen, wohnen, etc. massiv klimaschädlich ist, haben wir kein individuelles Problem. In dieser Situation die Verantwortung auf die Kaufentscheidungen  der einzelnen Menschen zu schieben ist lächerlich und eines der Märchen des Kapitalismus, um weiterhin Profite machen zu können. Doch wenn es kein richtiges Leben im Falschen gibt, dann müssen wir Verantwortung dafür übernehmen, dass das falsche System Klimazerstörung gestoppt wird, dass das Falsche nicht mehr falsch, sondern ökologisch und sozial nachhaltig ist.

Wir dürfen nicht diejenigen sein, die ein schnelles Handeln in Sachen Klimaschutz ausbremsen, sondern wir müssen diejenigen sein, die es konsequent einfordern. Lasst uns ein neues Selbstbild entwerfen! Lasst uns gesellschaftlich neu definieren, was gute Arbeit ausmacht und wie wir leben wollen – ohne dabei das Alte, das wir hinter uns lassen müssen, zu entwerten. Wir müssen anerkennen, dass wir Teil dieses Ökosystems sind und ohne es nicht überleben können. Wir sind Teil dieses Ökosystems – und nicht Herrschende über die Natur.

Lasst uns Verantwortung übernehmen, mehr werden, und dafür sorgen, dass niemand vergessen wird. Lasst uns – in gegenseitiger Anerkennung unserer unterschiedlichen Erfahrungen und mit Respekt – für eine solidarische, eine klimagerechte Transformation kämpfen!

Wir sind heute hier, weil wir zusammen für das gute Leben für alle und gegen den Klimawandel kämpfen wollen. Auch wenn mit Klimawandel schwierige Zeiten auf uns zukommen, möchte an dieser Stelle sagen: Wir sind für euch da. Lasst uns gemeinsam das Motto des heutigen Tages zu mehr werden lassen als eine bloße Phrase. Lasst uns ungebrochen solidarisch füreinander einstehen!

Danke.

 

Autor*innen: 
S., F., und S. von den GEW Studierenden, IGBCE Jugend und ver.di Jugend
Anfragen und Kommentare gerne an: mailto:studis@gew-brandenburg.de

Feministischer Kampftag 2023 in Potsdam

Feministischer Kampftag in Potsdam 2023 

Redebeitrag vom 04.03.23

 

Hi, ich bin S. von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft und spreche für die Gruppe der Studierenden in der GEW Brandenburg.

Seit 113 Jahren wird im März der internationale feministische Kampftag begangen. Linke Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen haben ihn erstritten, um Frauenrechte, Emanzipation und feministischen Arbeitskampf auf die Agenda zu setzen. Erst ab 1921 hat sich der bis heute bekannte 8. März als Datum des feministischen Kampftages durchgesetzt. Deswegen ist es auch nicht schlimm, dass wir hier vier Tage zu früh versammelt sind, denn es gilt: An jedem Tag im Jahr muss die Gleichberechtigung aller Geschlechter erkämpft werden!

Wir wollen uns heute mit allen Streikenden solidarisieren, die aktuell für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine ökonomisch-soziale Transformation auf die Straßen gehen. Unsere Herausforderung ist es, eine gemeinsame Analyse von vermeintlich verschiedenen Zuständen schaffen. Die Emanzipation von patriarchaler Unterdrückung und die Überwindung unterdrückender Strukturen    schließen unbedingt ökonomische Bedingungen ein. Wachstum wird global immer noch und zunehmend auf dem Rücken von Frauen und geschlechtlichen Minderheiten erwirtschaftet, die unter prekären Bedingungen arbeiten und im Durchschnitt niedrigere Löhne erhalten – noch dazu halten sie das kapitalistische Wirtschaftssystem mit unbezahlter Care-Arbeit am Laufen. In der Pflege, der Erziehung und Bildung und im Dienstleistungssektor stehen die Beschäftigten vor massiven Missständen und Geringschätzung. FINTAs sind dabei oft überproportional von Prekarität und Überlastung bedroht. Das betrifft vor allem benachteiligte Communities im Globalen Süden und migrierte und rassifizierte Menschen im Globalen Norden. Diese Gruppen sind auch besonders stark von den Folgen der Klimakrise bedroht. Klimagerechtigkeit kann es nur mit sozio-ökonomischer Umverteilung geben.

Was für die Industriegewerkschaften das Organisieren entlang von Lieferketten ist, muss für uns das Organisieren entlang von Sorge- und Bildungsketten sein. Denn anstatt Berufe mit regionalem Fachkräftemangel besonders attraktiv zu machen, ist es die offizielle Politik der Bundesrepublik Fachkräfte aus anderen Regionen anzuwerben. Das funktioniert oft, insbesondere dort, wo die Löhne noch deutlich niedriger und Arbeitsbedingungen schlechter sind. Gleichzeitig wird mit der Abwanderung von Sorge-Arbeiter*innen ein Loch in das soziale Gefüge dieser Region gerissen, was wiederum von anderen aus einem noch schlechter bezahlten Anderswo gestopft werden muss. Meistens ist diese Arbeitsmigration verbunden mit vielen Hoffnungen auf ein besseres Leben, die in der BRD aufgrund ihrer rassistischen und sexistischen Verfasstheit oftmals nicht erfüllt werden können. Es handelt sich um ein oft falsches Versprechen, welches sich entlang der kapitalistischen Logik des Standortwettbewerbs orientiert und nicht entlang von Sorgebeziehungen oder Sorgegemeinschaften.

Wir müssen Feminismus, Antirassismus und Ökologie antikapitalistisch zusammendenken und gemeinsam den Kurs wechseln.

Als Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft organisieren wir alle Bildungsarbeiter*innen. Von der frühkindlichen Bildung, über alle Schulformen, Jugend- und Sozialarbeit, Erwachsenenbildung, Studierende und Wissenschaft. Wir haben einen FINTA-Anteil von mehr als 70% in unserer Mitgliedschaft. Die Sorgearbeit, die am Anfang des Lebens von Kindern und am Ende des Lebens von Erwachsenen steht, war schon immer dem Weiblichen zugeordenet. Der vergeschlechtlichte Beruf des Lehrers wurde im Zuge der Kriege, die von Deutschland im 20. Jahrhundert ausgingen, umgedeutet zu einem eher weiblichen Beruf. Je jünger die Kinder, desto weiblicher das Berufsbild. In der Wissenschaft wird erst jetzt, mit vielen Regulierungen, langsam eine Erhöhung des FINTA-Anteils politisch durchgesetzt.

Kurzer Exkurs: Das Wissenschaftssystem reproduziert an so vielen Stellen Ungleichheitsstrukturen – umso wichtiger ist unser aktueller Kampf für einen TVStud, einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Wissenschaft ist ein System, was in der Gesellschaft mit hoher Legitimität ausgestattetes Wissen erzeugt, doch der Zugang zu diesem System ist den meisten verwehrt. Wir brauchen aber ein anderes Wissen, für eine andere Gesellschaft! Deswegen, wenn ihr auch als Studierende an Hochschulen arbeitet: Organisiert euch jetzt für einen TVStud. Meldet euch gerne gleich mir! — Zurück —

Je stärker Berufe mit Weiblichkeit assoziiert werden, desto weniger Anerkennung erhalten sie und desto schlechter werden sie bezahlt. Dabei werden die Zustände oft naturalisiert – das heißt, es wird so getan, als läge es in der Natur der Frau bzw. der weiblich gelesenen Person, Fürsorge zu leisten, sich zu kümmern und zu bilden. Ich glaube, das ist auch gar nicht so falsch.

Doch ist es selbstverständlich nicht der Kern des Weiblichen, sondern des Menschlichen überhaupt. Ohne Sorge füreinander, ohne Verbindung zueinander und Beziehungen können wir nicht leben. Es ist das kapitalistische Patriachat, dass uns alle in unserer Freiheit, Beziehungsfähigkeit und Beziehungsqualität einschränkt. Selbstverständlich sind Frauen und insbesondere queere Leute und geschlechtliche Minderheiten, diejenigen, die am meisten darunter leiden.

Als Gewerkschaft können wir an der ökonomischen Dimension ansetzen und im kollektiven Handeln uns gegen die Entwertung unserer Arbeit wehren. Aber da hört es nicht auf. Denn jedes kollektive Handeln ist auch ein Raum, in dem wir uns selbst und unsere Zeit wertschätzen. In der Kollektivität erfahren wir bestenfalls Selbstwirksamkeit, Solidarität und Gemeinschaft, etwas, was leider oft genug in unseren Alltagen fehlt.

Deswegen müssen uns und unsere Kolleg*innen organisieren – und aus Erfahrung weiß ich, dass das a) nicht immer einfach ist und b) seine Zeit braucht, die viele von uns gar nicht haben. Wir müssen deswegen von unseren Gewerkschaften die Unterstützung einfordern, die wir brauchen. Denn ich bin überzeugt: Wir, als Gewerkschaften, werden weiterhin gebraucht. Die Grundlogik der Gewerkschaft steht immer gegen die zunehmende Neoliberalisierung und die anhaltende Ausbeutung im Kapitalismus.

Ich behaupte nicht, dass die Gewerkschaften heutzutage diese von mir beschriebenen Dinge gut umsetzen. Aber: Ich kenne viele junge Gewerkschafter*innen, die mit dem Status Quo der Gewerkschaften nicht einverstanden sind – und sie sind trotzdem da. Sie fordern Veränderungen der Strukturen, Strategien und der Politik, sie fordern konsequenten Schutz, Räume und Wertschätzung von und für Minderheiten, sie fordern eine feministische Politisierung der Tarifverhandlung und den Schulterschluss mit sozialen Bewegungen.

Für uns sind diese Dinge eine Selbstverständlichkeit und wir sind bereit sie immer wieder zu erklären, Kolleg*innen zu überzeugen und sie auch gegenüber anderen durchzusetzen.

Ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, ein Tarifvertrag Gesundheit an Schulen oder ein Tarifvertrag Entlastung an Kliniken und die Erkämpfung einer Arbeitszeitreduzierung bei gleichzeitigem Lohn- und Personalausgleich sind nur der Anfang.

Eine feministische Utopie muss von den Menschen, ihren Bedürfnissen und den Möglichkeiten der ökologischen Reproduktion her gedacht werden. Lasst uns gemeinsam für eine solche Utopie organisieren, streiten und kämpfen.

Danke.

Digitaler Kick-Off – TVstud Brandenburg

++Weitersagen und Vorbeikommen++

🚩Kick-Off zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten (Einführung eines Tarifvertrages)

++Am Donnerstag (17.03.) um 18 Uhr online++

😤Die Arbeitsbedingungen der WHK und SHK an Brandenburger Hochschulen sind schlecht. Die Vertragslaufzeiten sind kurz und die Bezahlung zu niedrig. Grundlegende Rechte wie Urlaub oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werden oft nicht gewährt.

🗣Es wird Zeit, dass wir uns als studentische Beschäftigte zusammenschließen und uns für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Gemeinsam sind wir stark – ohne uns läuft im Wissenschaftsbetrieb nichts! Das sind beste Voraussetzungen, damit wir uns auch in Brandenburg einen studentischen Tarifvertrag (TVStud) erkämpfen.

⏰Wir treffen uns am Donnerstag (17.03.) um 18 Uhr auf Zoom zu unserer Auftaktveranstaltung. Wir wollen uns zu unseren aktuellen Arbeitsbedingungen an den Hochschulen austauschen und Strategien für die weitere Kampagne entwickeln. Die Zugangsdaten: https://uni-potsdam.zoom.us/j/68442776237 (Kenncode: 16526965).

📣Als gewerkschaftliche Initiative wollen wir diesen Tarifvertrag gemeinsam mit euch erstreiten. Das Momentum ist gut – bundesweit gibt es bereits studentische Initiativen in allen Bundesländern. Und auch erste Erfolge haben sich eingestellt: die Arbeitgeber*innenseite hat Gespräche zu einem TVStud Mitte diesen Jahres zugesagt. Jetzt müssen wir dranbleiben, sonst verpufft der Erfolg wieder!

❓Weitere Infos zu der Kampagne findest du hier: https://www.gewstudis-brandenburg.de/tv-stud-brandenburg/

💌Um auf dem Laufenden zu bleiben kannst du sehr gerne unserer Signal-Gruppe unter dem Einladungs-Link beitreten: https://signal.group/#CjQKIANaFozBv1ivc0pIDp2FThG9E7d2HFVWJ6467inIaRx9EhB3y3hBm5hdEr6pd1xvW8ZU

📲Folge unseren Social-Media-Accounts, dort stehen wertvolle Information zu deinen Rechten im Job und zu unserer Kampagne zur Verfügung:
Insta/Twitter: @tvstud_bbg

Redebeitrag zum ersten Mai 2021 – DGB Kundgebung in Potsdam

GEW Studis auf der Kundgebung zum 01. Mai 2021 in Potsdam. Alle Rechte vorbehalten.

Redebeitrag zum ersten Mai 2021 – DGB Kundgebung in Potsdam

Liebe Kolleg*innen, 
Es ist der zweite „erste Mai“ zu Pandemiezeiten. Man sollte meinen, dass gerade in Zeiten von Corona wieder einmal deutlich wird, dass wir nicht am Ende unseres Kampfes sind. Ganze Lebenszusammenhänge leiden seit über einem Jahr unter dem Kurzarbeitergeld. Der 12-Stunden-Tag wurde im Frühjahr 2021 kurzfristig auf dem Rücken von Arbeiter*innen in sogenannten „systemrelevanten Berufen“ wieder eingeführt. Der bundesweite Tarifvertrag in der Altenpflege scheitert an der Caritas. Die  großen Arbeitgeber, wie Lufthansa, Galeria-Kaufhof-Karstadt, TUI, Sixt oder ThyssenKrupp, erhalten unkomplizierte Soforthilfe. Doch wenn internationale Unternehmen Geld vom Staat bekommen, kommt das selten den Beschäftigten zu gute. Während die Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt werden und damit die Lohnkosten radikal sinken, zahlen BASF, Daimler, Volkswagen und Co. Millarden an Dividenden an ihre Anteilseigner aus. Im gleichen Moment stehen viele kleine und mittelständige Unternehmen, die vor allem die ostdeutsche Unternehmenslandschaft ausmachen, vor dem Bankrott; die Beschäftigten vor dem Arbeitsplatzverlust – und (oft) junge Menschen, die ihren Bildungsweg noch gar nicht abgeschlossen haben, Studierende, müssen sich jetzt verschulden, um ihr Studium weiter zu führen, während der Staat mit ihrer Not Profite macht. 
Da läuft doch alles schief! 

Gleichzeitig werden ganze Gruppen von Menschen vollkommen vergessen. Dazu gehören Geflüchtete, die in Lagern eingesperrt sind, keinen Abstand halten können, sich nicht isolieren können, oder an den europäischen Außengrenzen leiden. Dazu gehören auch ausländische Saisonarbeiter*innen, die teilweise in Containern ohne ausreichenden Gesundheitsschutz wohnen müssen und nun – inmitten einer Pandemie – vier Monate ohne Kranken- und Sozialversicherung arbeiten „dürfen“, während deutsche Erntehelfer*innen 2020 von den Medien als „Held*innen“ gefeiert wurden. 
All diese Dinge klingen in unseren Ohren so dramatisch, dass man meinen könnte, wir hätten sie uns zu populistischen Zwecken ausgedacht. Das ist nicht der Fall. Das sind die „goldenen 20er“!

Fragt man eine Person: „Willst du lieber ein gutes Leben oder ein schlechtes Leben haben?“ wird sie sagen, „Ein Gutes.“. Fragt man weiter, was denn dafür wichtig sei, kommt man häufig auf die Anwort: Gesundheit, finanzielles Auskommen, ein liebevolles und stabiles soziales Umfeld (Freund*innen, Familie, Partner*innenschaft) und ein Zuhause, in dem man sich wohl fühlt. Überall werden diese Grundpfeiler des guten Lebens aktuell angegriffen und wir, die Gewerkschaften, verharren im „Weiter wie bisher“. Wir müssen uns aber wandeln, weil die Welt sich wandelt. Wir alle wollen immer noch das gute Leben, mit guten Arbeitsbedingungen, auskömmlicher Entlohnung und Zeit für anderes – aber der Weg, wie wir dahin kommen können, hat sich gewandelt. Die Waffen derjenigen, die anzweifeln, dass alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und, ja, auch des Erwerbsstatus, ein gutes Leben haben können müssen, haben sich gewandelt: Unionbusting, Scheinbeteiligung, Populismus, Verschwörungmythen, Vereinzelung und Kapitalismus. 

Dabei sind wir mitten in einer größten Krisen der Menschheit. Nein, wir meinen nicht Corona, wir meinen die Klimakrise. Die Pandemie wird sich eingrenzen lassen, Corona und zukünftige Pandemien werden nicht ganz verschwinden, aber das so oft eingeforderte „normale Leben“ wird wieder möglich sein. Doch dieses normale Leben, was wir hier führen, geht massiv zulasten des Klimas und damit Zulasten der jüngeren Generationen. 
Wenn wir das Klima schützen wollen – wenn es um unser JETZT geht und um unsere Zukunft – dann wird es eine Transformation brauchen. Eine Transformation, die auch einen Strukturwandel in der Arbeit mit sich bringen wird. Wir stehen nicht mehr am Anfang, sondern wir sind mittendrin. Und wenn dieser Wandel nicht an uns vorbei passieren soll, dann müssen wir auch uns verändern. Wir müssen basisdemokratischer, mutiger, kämpferischer und selbstbewusster werden! Wir dürfen keine Angst davor haben, über die Zukunft und Utopien zu diskutieren! Wir müssen mehr Beschäftigte erreichen, sie einbeziehen und Kämpfe führen und gewinnen! 

Im Osten sind die Gewerkschaften schwach und die Tarifbindung eher niedrig, heißt es. Die Zerschlagung und Schließung eines großen Teils der ehemaligen Staatsbetriebe durch die Treuhand, hat verheerende Auswirkungen bis heute. Damals waren die westdeutschen DGB Gewerkschaften im Verwaltungsrat der Treuhand-Anstalt vertreten, konnten dessen Kurs der schnellen Privatisierung mit all ihren Brüchen also teilweise mitbestimmen. Zum Schutz der westdeutschen Arbeitsplätze und aus Angst vor der ostdeutschen Konkurrenz wurden Schließungen hingenommen, die Solidarität mit den ostdeutschen Arbeiter*innen hielt sich in Grenzen.
Auch wurden in den Betrieben teilweise Arbeitskämpfe ohne die Gewerkschaften oder mit neugegründeten Gewerkschaften, wie der NGG Ost, bestritten. Bischofferode ist hier vermutlich das bekannteste Beispiel. Die jüngere Zeitgeschichte zum Thema „Wiedervereinigung“ ist noch nicht aufgearbeitet. Es ist aber bereits sichtbar, dass es hätte besser laufen können und dass die Gewerkschaften vielleicht solidarischer, umsichtiger und aktiver zugleich hätten sein können. Die Wendezeit bedeutete einen schnellen Bruch, statt einer gemächlichen Annäherung. 

Und vor einem solchen Bruch stehen wir wieder! Auch wir haben die Klimakrise nicht rechtzeitig als die existenzielle Krise anerkennnen wollen, die sie ist. Doch diesmal muss es besser laufen – und besser heißt nicht ohne uns! 
Dabei müssen wir uns an die Spitze des Strukturwandels stellen und dürfen auch vor mutigen Forderungen nicht zurückschrecken. Wir müssen das gute Leben mit einem schnellen Ausstieg aus der Kohle verbinden. Wir dürfen uns nicht als Gegner*innen der Klimabewegung sehen, sondern als deren Partner und gemeinsam um gute Lösungen ringen. Noch können wir diesen Prozess gestalten, bevor wir nur noch passiv auf Hiobsbotschaften reagieren können.
Die Wende stellte die Systemfrage sowie die Klima- und Coronakrise sie heute dringender denn je stellen. Sowohl damals als auch heute lautet die Krise Kapitalismus. Erwerbslosigkeit ist ein Krisenphänomen – und kein individuelles Versagen – und wir als Gewerkschaften sind gefordert uns dieser Thematik offensiver zu stellen.

Wir möchten einen letzten Grund nennen, warum wir uns als Gewerkschaften wandeln müssen: In zweieinhalb Stunden werden sich auf diesem Platz, da wo wir aktuell stehen, die Menschenfeinde der AfD versammeln. Die AfD hat in ihren Reihen Antidemokraten und Neo-Faschisten, sie werten die „Deutschen“ auf und die anderen ab. Den Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen erkennen sie nicht an. Sie treffen sich heute am 1. Mai, dem Tag der Arbeiter*innen, unter dem Motto „Sozial ohne Rot zu werden“ – und wir? Wir machen ihnen Platz!

Rückschau auf den April 1933: 
  • Goebbels notiert: „Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auch auf diesem Gebiet (…). Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, aber dann gehören sie uns.“ 
  • Hitler erklärt den 1. Mai zum „Feiertag der nationalen Arbeit“.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Teile der AfD an diesen Weg anknüpfen wollen. Und nein, das heißt nicht, dass alle AfD-Wähler*innen Nazis sind, sondern dass alle AfD-Wähler*innen, Faschist*innen tolerieren und ihnen helfen, ihre Normalisierungstrategie umzusetzen. Aber das heißt nicht, dass nicht einige der angegebenen Gründe der AfD-Wähler*innen für ihre Wahlentscheidung nicht valide sind, dass die Ängste nicht real sind. 
Aber für uns ist klar: Ungleichwertigkeitsideologien können nie Grundlage unseres Handelns sein. Den Problemen und Ängsten ist solidarisch zu begegnen. 
Dass der DGB Kreisverband auf Anfrage der Jugend nicht bereit war, ihr Konzept für diese Kundgebung im Angesicht der AfD anzupassen, ist für uns ein Armutszeugnis. Deswegen rufen wir euch auf: Bleibt noch hier. Überlasst den rechten Menschenfeinden nicht den Platz und schließt euch dem Gegenprotest an, der ab 16.00 Uhr vor dem Filmuseum angemeldet ist. Nehmt die Gewerkschaftsfahnen mit. Damit sich 1933 nicht wiederholt, sagen wir: 1. Mai Nazifrei! 

Wir hätten jetzt viel mehr über die Stituation der Studierenden während Corona erzählen können, über das Wegbrechen der Nebenjobs, über das Versagen der Bundesregierung, Abhilfe zu schaffen, über die Novellen des Brandenburgischen Hochschulgesetzes sowie des Landespersonalvertretungsgesetzes, an denen wir gerade intensiv arbeiten… Aber die Dringlichkeit einer gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation ist höher und wir wollten diese Gelegenheit nutzen, um dazu das Wort an euch zu richten. 
Wir setzen uns im Rahmen unserer Tätigkeiten für eine Demokratisierung von Hochschulen, für ein Ende von Befristung und Prekarität und die Gleichbehandlung aller Beschäftigten an Hochschulen ein. Betriebliche Kämpfe, genauso wie Kämpfe um die Demokratisierung von Strukturen, sind Kommunikation. Wir zeigen damit allen, die die Demokratie schwächen wollen, dass kollektive Selbstwirksamkeit das wirksamste Mittel gegen den Faschismus ist. Im Angesicht aller Krisen, denen wir gegenüber stehen, ist das einer der wichtigsten Beiträge, den wir leisten können und müssen.

In diesem Sinne: Lasst uns uns gemeinsam wandeln und sagen: „Her mit dem guten Leben!“ Danke. 

Redebeitrag: Solidarische Zukunft statt Kapitalismus

Redebeitrag: Solidarische Zukunft statt Kapitalismus

1     Corona und Studium

¾ der Studierenden in Brandenburg arbeiten neben dem Studium. Die wenigsten zum Spaß. Die meisten, weil sie sich nur so das Studium leisten können. BAföG, ein halbes Darlehen vom Staat, bekommt fast niemand mehr. Gerade mal 12%. Mit Corona sind vielen Studis die Nebenjobs weggebrochen – insbesondere in der Gastro- und Kulturbranche. Es gab vermehrte finanzielle Notlagen, Studienabbrüche und eine lächerliche Staatshilfe, die überwiegend aus Krediten zu miesen Konditionen bestand.

Natürlich traf die Corona-Pandemie nicht alle gleich: Studierende, die als erste in ihrer Familie ein Studium aufgenommen haben, haben häufiger nicht das Selbstbewusstsein ein Studium trotz der ganzen Widrigkeiten, die das Leistungssystem und nun auch Corona an sie stellen, weiterzuführen, wie es die Menschen mit Akademiker*inneneltern meist haben. Studierende, deren Eltern arm sind oder deren Eltern zuvor prekär beschäftigt waren und durch Corona arm geworden sind, die sich mit einem oder mehr Jobs das Studium finanziert haben, können dies nun nicht mehr tun.

Aber auch die Isolation setzt den Studierenden zunehmend zu. Das Studium ist für viele mit einem Umzug verbunden, weshalb die sozialen Netzwerke schwächer sind. Schon vor Corona stieg die Zahl der psychischen Erkrankungen unter Studierenden aufgrund des Leistungsdrucks stetig an. Corona gab dieser Entwicklung nur einen Boost. Natürlich betrifft das nicht nur Studierende. Vermutlich sind sehr viele unter euch oder in eurem direkten Umfeld, die schon einmal einen Therapieplatz gesucht haben. Ihr werdet das Problem kennen. Die Politik schafft auf diesem Feld übrigens mit ihrer Idee der Kassensitze eine künstliche Knappheit an Therapieplätzen. Eigentlich gäbe es viel mehr Therapeut*innen, die bereit wären, Kassenpatient*innen aufzunehmen. Aber das Krankenkassensystem ist noch einmal ein Thema für sich.

Jetzt werden diese bekannten Probleme aber instrumentalisiert, um verfrühte Lockerungen und weitere Maßnahmen zu rechtfertigen, die die Wirtschaft für einen besseren Infektionssschutz einschränken würden. Dabei wird zugelassen, dass dieses Thema von Cornoa-Verharmloser:innen und -leugner:innen besetzt wird.

Das dürfen wir nicht zulassen. Tatsächlich gehören Menschen mit schweren psychischen Belastungen zur Risikogruppe, aber Jens Spahn plant Treffen mit verwirrten und verwöhnten Schauspieler:innen.

Stattdessen müssen jetzt erstens wirkliche Aufklärungsarbeit gegen die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen geleistet werden, zweitens nachhaltig eine bessere Therapieinfrastruktur geschaffen werden und drittens psychischen Belastungen vorgebeugt werden. 

Auch hier gilt: Wir sind alle – jetzt oder zukünftig – Patient*innen! Und deshalb geht das Versagen der Gesundheitssteuerung und die Ökonomisierung des Gesundheitssystems uns alle was an! 

2     Wissenschaft, Arbeit, Befristung, Pandemie

Wissenschaftler*innen waren für die einen die Held*innen für die anderen die Feind*innen in der Pandemie. Wir möchten euch einen kurzen Einblick in die Arbeitswirklichkeit der Hochschulen geben. Den Ort, wo das Wissen, auf das sich alle die ganze Zeit beziehen, um die Pandemie zu bewältigen, erarbeitet wird. Denn Wissenschaftler*in ist ein Beruf, keine gottgegebene Berufung – auch wenn das viele nicht so ganz wahrhaben wollen. Die Corona-Pandemie hat alle ins Home-Office geschickt. Für viele war das gut möglich, da sie praktischerweise schon einen Arbeitsplatz zuhause hatte, von dem aus sie die unbezahlten Überstunden am Wochenende oder am Abend gemacht haben. Für Menschen mit Kindern und Care-Aufgaben sah die Welt, wie in allen Branchen, mit der Schließung von Schulen und Kitas plötzlich ganz anders aus. Menschen, die Sorgearbeit ernst nehmen, häufig Frauen, sehen sich bereits weniger in die Lage versetzt in der Wissenschaft zu langfristig zu arbeiten, Corona war da für viele der letzte nötige Tritt vors Schienbein. Denn während in der sog. Freien Wirtschaft immerhin 90% der Beschäftigten unbefristete Arbeitsverträge haben, sind es in der Wissenschaft gerade mal 10%. In dieser ständigen Prekarität lässt es sich schlecht leben, und (?)wenn man sich um andere sorgt oder Familie hat noch mieser.

3     Wissenschaftsfeindlichkeit und Wissenschaftsreflexion

Ohne die Erkenntnisse moderner Forschung und Wissenschaft hätten wir keine guten Bewältigungsstrategien gegen das Virus entwickeln können. Diese Ergebnisse verdanken wir guter wissenschaftlicher Praxis. Doch nicht immer wurden wissenschaftliche Erkenntnisse genutzt und diese gute wissenschaftliche Praxis ist gefährdet:

Es wurde in letzter Zeit viel über DIE Wissenschaft gesprochen. Aber die die eine Wissenschaft gibt es in dieser Form nicht. Im Gegenteil: Wissenschaft – und Erkenntnisfortschritt – leben von der Heterogenität der Forscher*innen, der Paradigmen, der Ideen und der Methoden, sie leben vom Zweifel, vom Überprüfen und Nachvollziehen, von Theorie und vom Zeit zum Nachdenken und sorgfältigen Arbeiten. Genau das ist jedoch der Common Sense, der von verschiedenen Spielarten der Wissenschaft akzeptiert wird und der Erkenntnisse auf eine bestimmte Art und unter Reflexion seiner Methoden hervorbringt. Diese Kriterien guten wissenschaftlichen Arbeitens lassen uns wissenschaftliche Arbeiten von unwissenschaftlichen Arbeiten unterscheiden. Allerdings kann, wer in derartiger Prekarität lebt und ständig neue Artikel und Bücher veröffentlichen muss, um eine Chance auf weitere Jobs zu haben, sich dem nicht in dem Ausmaß der Genauigkeit und Reflexion des guten wissenschaftlichen Arbeitens widmen, wie er*sie es vllt. selber gerne würde. So wird Wissenschaft durchschnittlich oberflächlicher, Überprüfungen seltener, kleine methodische Schummeleien, die zu spektakuläreren Ergebnissen führen, häufiger, es gibt einen erhöhten Anpassungsdruck und kritische Wissenschaft wird seltener.

Das öffnet auch Tür und Tor für den – oft politischen – Missbrauch Status, Titeln und Prestige in einem stark hierarchischen System, auf den sich auch die Corona-Leugner*innen zum Teil beziehen. Dennoch: Alle Wissenschaftler*innen sind Menschen und keine Forschung ist vollkommen „neutral“. Der Faktor Mensch lässt sich nicht komplett wegkürzen. Man kann nur probieren, die Nachvollziehbarkeit, die Überprüfbarkeit und Reflexion dieses Umstandes mit einzubeziehen.

Dass in dieser Pandemie so viel Missbrauch mit Wissen und Wissenschaft betrieben werden konnte, liegt auch hieran. Die kapitalistische Denkweise, die Ökonomisierung von Wissenschaft und Forschung, die gute Wissenschaftliche Praxis wird quasi verunmöglicht, solange man nicht auf einer Professur hockt. Aber – wie bereits ausgeführt – wird man schon im Studium in dieses prekäre Leistungssystem, in dem man nur durch Durchsetzungsstärke im Konkurrenzkampf, Ellenbogenmentalität und Masse statt Qualität gewinnen kann, hineinsozialisiert – von der kapitalistischen Gesellschaft überall sonst ganz zu schweigen! 

4       Forderungen

  • Wir wollen Entfristung und Schluss mit der prekären Arbeit für alle Beschäftigtengruppen!
  • Wir wollen, dass alle studieren können und für ihr Auskommen großzügig gesorgt wird!
  • Wir wollen Gesundheitsschutz für Alle Mitglieder der Hochschulen während der Pandemie, aber auch sonst!
  • Wir wollen eine Auflösung des Lehrstuhlprinzips – Schluss mit dem Hochschulfeudalismus!
  • Wir wollen ein Ende des Leistungsdrucks – Hochschulen für Alle und Zeit zum Lernen!
  • Wir wollen die Hochschulen demokratisieren, sie von denen mitbestimmt werden, die dort lernen und arbeiten!

Als Studierende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wollen wir uns Ökonomisierung entgegenstellen, die Gemeinwohlorientierung der Hochschulen ausweiten, Räume für kritischen Denken, emanzipatorisches Lernen und freie Wissenschaft schaffen. Hochschulen müssen Treiber der solidarisch-ökologischen Transformation und nicht Handlanger des Kapitalismus sein. Corona hat nur nochmal gezeigt, dass es so nicht weitergeht.

 

Neugründung junge GEW Brandenburg: „Gewerkschaften werden gebraucht – mehr denn je“

Neugründung junge GEW Brandenburg: „Gewerkschaften werden gebraucht – mehr denn je“

Potsdam, 17. Februar 2021
Heute, am 17. Februar 2021, gründet sich eine neue junge Gewerkschaftsgruppe in Brandenburg. Rund 30 Mitglieder der Jugend der Gewerkschaft  Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg kommen nach 2 Jahren das erste Mal  zusammen, um ihr Recht auf Mitbestimmung wieder wahrzunehmen.
„Dass sich so viele junge Leute für die Gewerkschaftsarbeit interessieren zeigt: Gewerkschaften werden gebraucht – mehr denn je! Dazu organisieren wir uns und wollen gemeinsam unser Arbeits- und Zusammenleben gestalten“, sagt Sabrina Arneth, Sprecherin der GEW Studis Brandenburg. 
„Als GEW vertreten wir alle Pädagog*innen und Wissenschaftler*innen, das heißt Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sonderpädagog*innen, Sozialarbeiter*innen, Wissenschaftler*innen und Studierende. Das ist eine bunte Mischung, aber wir haben gemeinsam, dass wir Bildung und Wissenschaft gestalten wollen – mit sicheren Jobs, guter Bezahlung und Perspektive, aber auch klaren Grenzen zum Privatleben und Zeit für Engagement“, ergänzt Marina Savvides, ebenfalls Sprecherin der GEW Studis Brandenburg. 
Sabrina Arneth schließt: „Ohne Gewerkschaften wären wir nicht da, wo wir heute sind. Wir hätten keine freien Wochenenden, keinen bezahlten Urlaub und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen, wie der Digitalisierung oder dem Eindringen von Wettbewerbsdenken in die Bildung. Die Corona-Pandemie hat uns nicht gelähmt, sondern bringt Gewerkschaften erst recht auf den Schirm – oder eben heute Abend auf den Bildschirm!“
Die Neugründung findet am Abend digital statt. Dabei sollen im ersten Schritt mögliche gemeinsame Ziele gesammelt und das neue Sprecher*innenteam der jungen GEW Brandenburg gewählt werden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg vertritt knapp 9.000 Pädagog*innen und Wissenschaftler*innen und ist die Bildungsgewerkschaft im deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Teil der jungen GEW sind alle Mitglieder unter 35 Jahren. 

PM: Streit um illegale Rückmeldegebühren an Brandenburger Hochschulen eskaliert: Massenklage geht in die heiße Phase

Streit um illegale Rückmeldegebühren an Brandenburger Hochschulen eskaliert: Massenklage geht in die heiße Phase

Betroffene können sich bis 15.12. melden

Potsdam/Brandenburg: Im Rechtsstreit um die in den Jahren 2001-2008 vom Land Brandenburg unrechtmäßig erhobenen Rückmeldegebühren an Brandenburger Hochschulen gehen die angestrebten Massenklagen in die heiße und entscheidende Phase. Wie die Brandenburgische Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mitteilen, konnte für Betroffene der Universität Potsdam ein Prozesskostenfinanzierer gewonnen werden. Für die anderen Hochschulen und Betroffenen wird eine Klagebetreuung organisiert.

Jonathan Wiegers, Sprecher der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) verkündet hierzu: „Wir freuen uns, dass wir für die von den illegalen Rückmeldegebühren betroffenen Potsdamer Studierenden einen kompetenten Prozesskostenfinanzierer gewinnen konnten. Mit Metaclaims als Partner ist es uns möglich geworden, dass Betroffene von der Universität Potsdam komplett ohne eigenes Prozesskostenrisiko klagen können, dafür behält der Finanzierer einen Teil des Streitwerts ein.“ Zu den Bedingungen erläutert Wiegers: „Die Beteiligung an der Massenklage funktioniert einfach und unkompliziert über eine Abtretungserklärung, welche die Betroffenen an unseren Partner Metaclaims versenden müssen. Wir sind zuversichtlich bis zum 15. Dezember möglichst viele Studierende zu einer Beteiligung an der Massenklage bewegen zu können, um die Universität und das Ministerium an ihre Rückzahlungspflicht zu erinnern.“

Sabrina Arneth vom Landesausschuss der Student*innen in der GEW Brandenburg sagt dazu: „Während wir für die Universität Potsdam einen Prozesskostenfinanzierer gewinnen konnten, haben wir für Betroffene anderer Brandenburger Universitäten andere Wege gesucht und gefunden, wie sie mit professioneller rechtlicher Unterstützung leicht selbst klagen können. Unser ehrenamtlich arbeitendes Legal-Team berät dabei, individuell eine Klage mit unserer Musterklageschrifft einzureichen. Dadurch können wir an allen Verwaltungsgerichten im Land Brandenburg Klagen von Betroffenen betreuen.“ Fred Albrecht vom Vorstandsbereich Hochschule der GEW Brandenburg erklärt zum Verfahren: „Auf unsere Umfrage hin hatten sich bereits mehrere hundert ehemalige Studierende aus allen Hochschulen des Landes gemeldet. Auch weitere Klagewillige können sich jederzeit bis zum 15.12. noch melden. GEW-Mitglieder können sich unter Umständen an den GEW-Rechtsschutz wenden.“

Jonathan Wiegers erklärt abschließend dazu: „Wir leiten jetzt bis zum Stichtag des 15. Dezember2020 die Massenklage gegen das Land ein. Wir bedauern aber, dass es überhaupt so weit kommen musste und das Land stur die Fakten ignoriert und die rechtsverbindliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aussitzt. Leider müssen wir sehen, dass dem SPD-geführten Wissenschaftsministerium die eigene Gesichtswahrung und der eigene Vorteil wichtiger ist als geltendes Recht. Deshalb bleibt uns als Rechtswahrer studentischer Interessen nichts Anderes übrig,als eine Massenklage zu organisieren, um noch vor der Verjährung am 31.12.2020 den ehemaligen Studierenden zu ihrem Recht zu verhelfen. Dass sie weiterhin darauf warten, zeigen uns die Anfragen, die wir kontinuierlich erhalten. Wir fordern das Ministerium final dazu auf, den Weg für Entschädigungen und Rückzahlungen frei zu machen. Es besteht noch immer die Möglichkeit, dass das Land diese Mas- senklagen abwendet, indem die Hochschulen in Abstimmung mit der Landesregierung Verjährungsverzicht erklären.“

Betroffene können sich wenden an: sammelklage.51euro@gmail.com

Hintergrund:

Die Brandenburgische Studierendenvertretung (BRANDSTUVE)und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW setzen sich seit nunmehr 20 Jahren dafür ein, dass die verfassungswidrigen Rückmeldegebühren, die zwischen 2001 und 2008 an allen Brandenburgischen Hochschulen erhoben wurden, zurückgezahlt werden. Da das Land sich weiterhin weigert, droht nun am 31.12.2020 tatsächlich Verjährung einzutreten. Daher werden aktuell Massenklagen vorbereitet. BRANDSTUVE und GEW Brandenburg rufen alle ehemaligen Studierenden, die von 2001-2008 an einer Brandenburgischen Hochschule eingeschrieben waren, auf, sich an einer Umfrage zu beteiligen, um die Massenklagen gut vorzubereiten.

Seit 2017 steht durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der 51€- Klage fest, dass die Gebühren in Brandenburg rechtswidrig erhoben wurden. Im Au- gust war dies erneut auch ein Thema im Landtag. Während Freie Wähler, Linke, aber auch CDU und Bündnis 90/ Die Grünen signalisierten, dass sie sich einen Kompromiss vorstellen können, kamen von der SPD keine entsprechenden Signale. Somit lehnte der Landtag einen Kompromiss vor dem 31.12.2020 ab. Damit ist nun eine einvernehmliche Lösung nicht mehr möglich und die Betroffenen müssen erneut mit Klagen gegen die Auffassung des Landes vorgehen, um aus ihrer Sicht klarzustellen, dass die Ansprüche nicht verjährt sind. Bereits 2019 hatte das Verwaltungsgericht Potsdam einer solchen Klage einer ehemaligen Potsdamer Studentin Recht gegeben. Die Universität Potsdam legte jedoch in enger Abstimmung mit dem Land Brandenburg dagegen Berufung ein. Das Urteil wird erst nach dem 31.12.2020 erwartet. Zu diesem Zeitpunkt endet jedoch die Verjährungsfrist, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt.

Zum Prozesskostenfinanzierer für die Uni Potsdam: Metaclaims ist eine seit 2010 be- stehende Rechtsdienstleisterin mit der Zulassung, fremde Forderungen einzuziehen. Metaclaims hat bereits tausende Forderungen eingezogen, z.B. von Bankkunden ge- gen ihre Banken und ist dabei von Verbraucherschutzorganisationen und Presse emp- fohlen worden. Die meisten Prozesskostenfinanzierer sind auf hohe Einzelforderungen spezialisiert. Metaclaims hingegen sammelt viele gleichartige Kleinforderungen, die dann ein großes Gesamtvolumen ergeben, dass sie gebündelt geltend machen.

Weitere Informationen finden Sie auf metaclaims.de

 

Empfehlung der GEW Studis Brandenburg zur Struktur der brandenburgischen Delegation zum Gewerkschaftstag 2021

Empfehlung der GEW Studis Brandenburg zur Struktur der brandenburgischen Delegation zum Gewerkschaftstag 2021

Als GEW haben wir das gemeinsame Ziel einer starken und aktiven GEWerkschaft. Dazu brauchen wir junge, aktive Mitglieder, die die GEW Brandenburg die Zukunft gestalten und tragen. Deswegen empfehlen wir dem GLV bei der Erarbeitung der Struktur der brandenburgischen Delegation zum Gewerkschaftstag 2021 in Leipzig, junge Mitglieder im Besonderen zu berücksichtigen. Konkret schlagen wir vor, 5 der voraussichtlich 14 Delegierten mit Mitgliedern aus der Mitgliedergruppe der jungen GEW (unter 35 Jahren) zu entsenden. Dabei ist ein*e Delegierte*r satzunggemäß vorgeschrieben. Ein*e weitere*r Delegierte*r muss aus der Gruppe der GEW Studis entsand werden. Als LASS verpflichten wir uns hiermit, eine zweite Person unter 35 zu benennen. Folglich empfehlen wir dem GLV die anderen Bereiche, die Delegierte benennnen werden, aufzufordern, explizit junge Kolleg*innen anszusprechen, sodass mindestens drei weitere junge Delegierte aus Brandenburg zum Gewerkschaftstag reisen können.
Außerdem empfehlen wir, zwei der drei Gastdelegationen ebenfalls an Mitglieder der Gruppe jungeGEW zu vergeben.
Die Teilnahme am Gewerkschaftstag kann jungen Mitgliedern zum einen vermitteln, dass sie gewertschätzt werden und ihre Stimme für uns zählt, und zum anderen einen Einblick in die Strukturen und Prozesse der GEW bieten. Ganz nebenbei steigt die Bindung an die und Identifizierung mit der Gewerkschaft und somit die Motivation, sich auch in Brandenburg aktiv einzubringen. Vor allem im Hinblick auf zukünftige Generationenwechsel bietet es sich daher an, junge Mitglieder mit innergewerkschaftlichen Gremien und Prozessen vertraut zu machen.Eine brandenburgische Delegation, in der erfahrene und junge Mitglieder gemeinsam die Zukunft der GEW gestalten, stärkt uns und bringt neue Perspektiven für alle Seiten. Die beim Gewerkschaftstag entstandene Kontakte zu Kolleg*innen aller Fach- und Altersgruppen und die gewonnene Erfahrung können für die GEW Brandenburg nachhaltig hilfreich sein.
Gerne stehen wir zu Gesprächen oder zur Beratung zur Verfügung.
Landesauschuss der Studierenden 
GEW Brandenburg 
02.10.2020

Der Brandenburger Dialogprozess „Gute Arbeit in der Wissenschaft“

Der Brandenburger Dialogprozess „Gute Arbeit in der Wissenschaft“

Am 31. August 2020 fiel der Startschuss für den auf zwei Jahre angelegten Dialogprozess zum Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“. Die Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) beginnt hiermit, ein zentrales Ziel des Koalitionsvertrages der seit letzten Jahr amtierenden rot-schwarz-grünen Regierung Brandenburgs umzusetzen.

Die Auftaktveranstaltung diente einer generellen Vorstellung des Prozesses und der Themenfelder und eines ersten Kennenlernens der einzelnen Gruppen und deren Positionen.

Wer nimmt am Dialogprozess teil?

Beteiligt sind zahlreiche im Bereich der Hochschulen agierende Gruppen. Zunächst seien hier die Vertretungen der einzelnen Statusgruppen genannt: die Brandenburgische Studierendenvertretung (BrandStuVe), die Personalvertretungen von Universitäten und Fachhochschulen sowie je eine Vertretung der Hochschullehrkräfte von Universitäten, Fachhochschulen und der Juniorprofessuren. Dazu kommt die Gruppe der Lehrbeauftragten, deren prekäre Situation seit Jahren für Kritik sorgt. Eine starke Stimme bündelt sich zudem durch die Vertretungen der Gewerkschaften GEW und ver.di und der Kampagne „Frist ist Frust“. Weiterhin sind die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten, die Hauptschwerbehindertenvertretung, die Leitungen der einzelnen Hochschulen und das MWFK vertreten.

Wie ist der Prozess strukturiert?

Thematisch befasst sich der Prozess mit seit Jahren herrschenden Schieflagen an den Hochschulen. Die hohen Befristungsquoten (bis zu 93%), Zunahme von Hochdeputatsstellen, Defizite bei der Ausgestaltung studentischer Beschäftigungsverhältnisse und mangelnde Planbarkeit bei Karrierewege seien einige hier eingangs genannte Punkte. Der auf zwei Jahre angelegte Prozess soll nach den Ideen des MWFK im Sommer 2022 in einem Abschlussdokument münden, das der Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Bis dahin finden in einem 8-Wochen-Rhythmus Arbeitsgruppensitzungen statt. Jede Sitzung soll sich mit Teilaspekten des Themenkatalogs auseinandersetzen und über Probleme und Lösungen diskutieren. Das bisher geplante Vorgehen sieht für die nächsten drei Arbeitsgruppensitzungen folgende Verteilung vor:

  • Sitzung zur Aufgabengerechten Personalstruktur am 08. Oktober,
  • Sitzung zur Nachhaltigen Personalentwicklung am 17. Dezember,
  • Sitzung zur Arbeitsorganisation am 11. Februar.

Inwieweit diese Themen in späteren Sitzungen erneut auf die Tagesordnung kommen oder mit Ergebnissen der einzelnen Sitzungen generell und in den nachfolgenden Sitzungen umgegangen wird blieb ungewiss.

Was sind die Ziele?

Die Ergebnisse des Prozesses sollen zum einen in die Umsetzung des Zukunftsvertrages Studium und Lehre (ZuSL) und zum anderen in die Novellierung des BbgHG einfließen. Hierzu bekannte sich das Ministerium bereits in der Verpflichtungserklärung des ZuSL und strebt eine Aktualisierung dieser Erklärung nach dem Prozess im Jahr 2023 an.

Was fordern wir?

Der Aufbau von mehr Dauerstellen an unseren Hochschulen ist eine der zentralen Forderungen. Immer häufiger wurden und werden Daueraufgaben von befristet Beschäftigten wahrgenommen. Auch der Versuch der Hochschulleitungen, durch den Ausbau von Beschäftigten mit Hochdeputatsstellen mehr Aufgaben durch weniger Personal abzudecken, muss gestoppt werden. Daher müssen die Mittel aus dem ZuSL zielgerichtet auf den Ausbau von Dauerstellen gerichtet werden.

Das Personalvertretungsgesetz, in dem nun endlich auch in einem ersten Schritt studentische Beschäftigte als eigene Statusgruppe aufgenommen wurden, muss jetzt auch auf deren Lebensrealität angepasst werden.

Mit Blick auf die Novellierung des BbgHG kommen weitere zahlreiche Forderungen dazu, nicht zuletzt eine stärkere Demokratisierung und Transparenz an den Hochschulen.

Wie geht’s weiter?

Bis zur ersten Arbeitsgruppensitzung erstellt das MWFK ein digitales Informations- und Beteiligungstool, auf dem Ergebnisse festgehalten und einzelne Sitzungen vor- und nachbereitet werden können. Bereits hier und im gesamten Prozess sollten wir darauf achten, dass es ebenso auch entsprechende transparente Beteiligungsmöglichkeiten für alle Hochschulangehörige und Interessierte gibt.

Dieser Prozess ist eine große Möglichkeit, endlich wesentliche Verbesserungen im Wissenschafts- und Hochschulsystem vorzunehmen. Wir müssen klare Kante gegenüber den Hochschulleitungen und dem MWFK zeigen und unsere Forderungen mit Nachdruck durchsetzen, wie wir es bereits auch schon in der Vergangenheit taten, und diese Chance nutzen, eine echte Veränderung herbeizuführen.

Author

Erik Zander,
Landesausschuss der Studierenden
der GEW Brandenburg

Material zur Auftaktveranstaltung

Präsentation Dialogprozess „Gute Arbeit“ des MWFK

„Frist ist Frust“-Proteste vor dem Brandenburgischen Landtag in Potsdam; Foto: Kai Herschelmann