Feministischer Kampftag 2023 in Potsdam

Feministischer Kampftag in Potsdam 2023 

Redebeitrag vom 04.03.23

 

Hi, ich bin S. von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft und spreche für die Gruppe der Studierenden in der GEW Brandenburg.

Seit 113 Jahren wird im März der internationale feministische Kampftag begangen. Linke Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen haben ihn erstritten, um Frauenrechte, Emanzipation und feministischen Arbeitskampf auf die Agenda zu setzen. Erst ab 1921 hat sich der bis heute bekannte 8. März als Datum des feministischen Kampftages durchgesetzt. Deswegen ist es auch nicht schlimm, dass wir hier vier Tage zu früh versammelt sind, denn es gilt: An jedem Tag im Jahr muss die Gleichberechtigung aller Geschlechter erkämpft werden!

Wir wollen uns heute mit allen Streikenden solidarisieren, die aktuell für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine ökonomisch-soziale Transformation auf die Straßen gehen. Unsere Herausforderung ist es, eine gemeinsame Analyse von vermeintlich verschiedenen Zuständen schaffen. Die Emanzipation von patriarchaler Unterdrückung und die Überwindung unterdrückender Strukturen    schließen unbedingt ökonomische Bedingungen ein. Wachstum wird global immer noch und zunehmend auf dem Rücken von Frauen und geschlechtlichen Minderheiten erwirtschaftet, die unter prekären Bedingungen arbeiten und im Durchschnitt niedrigere Löhne erhalten – noch dazu halten sie das kapitalistische Wirtschaftssystem mit unbezahlter Care-Arbeit am Laufen. In der Pflege, der Erziehung und Bildung und im Dienstleistungssektor stehen die Beschäftigten vor massiven Missständen und Geringschätzung. FINTAs sind dabei oft überproportional von Prekarität und Überlastung bedroht. Das betrifft vor allem benachteiligte Communities im Globalen Süden und migrierte und rassifizierte Menschen im Globalen Norden. Diese Gruppen sind auch besonders stark von den Folgen der Klimakrise bedroht. Klimagerechtigkeit kann es nur mit sozio-ökonomischer Umverteilung geben.

Was für die Industriegewerkschaften das Organisieren entlang von Lieferketten ist, muss für uns das Organisieren entlang von Sorge- und Bildungsketten sein. Denn anstatt Berufe mit regionalem Fachkräftemangel besonders attraktiv zu machen, ist es die offizielle Politik der Bundesrepublik Fachkräfte aus anderen Regionen anzuwerben. Das funktioniert oft, insbesondere dort, wo die Löhne noch deutlich niedriger und Arbeitsbedingungen schlechter sind. Gleichzeitig wird mit der Abwanderung von Sorge-Arbeiter*innen ein Loch in das soziale Gefüge dieser Region gerissen, was wiederum von anderen aus einem noch schlechter bezahlten Anderswo gestopft werden muss. Meistens ist diese Arbeitsmigration verbunden mit vielen Hoffnungen auf ein besseres Leben, die in der BRD aufgrund ihrer rassistischen und sexistischen Verfasstheit oftmals nicht erfüllt werden können. Es handelt sich um ein oft falsches Versprechen, welches sich entlang der kapitalistischen Logik des Standortwettbewerbs orientiert und nicht entlang von Sorgebeziehungen oder Sorgegemeinschaften.

Wir müssen Feminismus, Antirassismus und Ökologie antikapitalistisch zusammendenken und gemeinsam den Kurs wechseln.

Als Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft organisieren wir alle Bildungsarbeiter*innen. Von der frühkindlichen Bildung, über alle Schulformen, Jugend- und Sozialarbeit, Erwachsenenbildung, Studierende und Wissenschaft. Wir haben einen FINTA-Anteil von mehr als 70% in unserer Mitgliedschaft. Die Sorgearbeit, die am Anfang des Lebens von Kindern und am Ende des Lebens von Erwachsenen steht, war schon immer dem Weiblichen zugeordenet. Der vergeschlechtlichte Beruf des Lehrers wurde im Zuge der Kriege, die von Deutschland im 20. Jahrhundert ausgingen, umgedeutet zu einem eher weiblichen Beruf. Je jünger die Kinder, desto weiblicher das Berufsbild. In der Wissenschaft wird erst jetzt, mit vielen Regulierungen, langsam eine Erhöhung des FINTA-Anteils politisch durchgesetzt.

Kurzer Exkurs: Das Wissenschaftssystem reproduziert an so vielen Stellen Ungleichheitsstrukturen – umso wichtiger ist unser aktueller Kampf für einen TVStud, einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Wissenschaft ist ein System, was in der Gesellschaft mit hoher Legitimität ausgestattetes Wissen erzeugt, doch der Zugang zu diesem System ist den meisten verwehrt. Wir brauchen aber ein anderes Wissen, für eine andere Gesellschaft! Deswegen, wenn ihr auch als Studierende an Hochschulen arbeitet: Organisiert euch jetzt für einen TVStud. Meldet euch gerne gleich mir! — Zurück —

Je stärker Berufe mit Weiblichkeit assoziiert werden, desto weniger Anerkennung erhalten sie und desto schlechter werden sie bezahlt. Dabei werden die Zustände oft naturalisiert – das heißt, es wird so getan, als läge es in der Natur der Frau bzw. der weiblich gelesenen Person, Fürsorge zu leisten, sich zu kümmern und zu bilden. Ich glaube, das ist auch gar nicht so falsch.

Doch ist es selbstverständlich nicht der Kern des Weiblichen, sondern des Menschlichen überhaupt. Ohne Sorge füreinander, ohne Verbindung zueinander und Beziehungen können wir nicht leben. Es ist das kapitalistische Patriachat, dass uns alle in unserer Freiheit, Beziehungsfähigkeit und Beziehungsqualität einschränkt. Selbstverständlich sind Frauen und insbesondere queere Leute und geschlechtliche Minderheiten, diejenigen, die am meisten darunter leiden.

Als Gewerkschaft können wir an der ökonomischen Dimension ansetzen und im kollektiven Handeln uns gegen die Entwertung unserer Arbeit wehren. Aber da hört es nicht auf. Denn jedes kollektive Handeln ist auch ein Raum, in dem wir uns selbst und unsere Zeit wertschätzen. In der Kollektivität erfahren wir bestenfalls Selbstwirksamkeit, Solidarität und Gemeinschaft, etwas, was leider oft genug in unseren Alltagen fehlt.

Deswegen müssen uns und unsere Kolleg*innen organisieren – und aus Erfahrung weiß ich, dass das a) nicht immer einfach ist und b) seine Zeit braucht, die viele von uns gar nicht haben. Wir müssen deswegen von unseren Gewerkschaften die Unterstützung einfordern, die wir brauchen. Denn ich bin überzeugt: Wir, als Gewerkschaften, werden weiterhin gebraucht. Die Grundlogik der Gewerkschaft steht immer gegen die zunehmende Neoliberalisierung und die anhaltende Ausbeutung im Kapitalismus.

Ich behaupte nicht, dass die Gewerkschaften heutzutage diese von mir beschriebenen Dinge gut umsetzen. Aber: Ich kenne viele junge Gewerkschafter*innen, die mit dem Status Quo der Gewerkschaften nicht einverstanden sind – und sie sind trotzdem da. Sie fordern Veränderungen der Strukturen, Strategien und der Politik, sie fordern konsequenten Schutz, Räume und Wertschätzung von und für Minderheiten, sie fordern eine feministische Politisierung der Tarifverhandlung und den Schulterschluss mit sozialen Bewegungen.

Für uns sind diese Dinge eine Selbstverständlichkeit und wir sind bereit sie immer wieder zu erklären, Kolleg*innen zu überzeugen und sie auch gegenüber anderen durchzusetzen.

Ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, ein Tarifvertrag Gesundheit an Schulen oder ein Tarifvertrag Entlastung an Kliniken und die Erkämpfung einer Arbeitszeitreduzierung bei gleichzeitigem Lohn- und Personalausgleich sind nur der Anfang.

Eine feministische Utopie muss von den Menschen, ihren Bedürfnissen und den Möglichkeiten der ökologischen Reproduktion her gedacht werden. Lasst uns gemeinsam für eine solche Utopie organisieren, streiten und kämpfen.

Danke.

Konzepte für die Transformation statt Marktliberalisierung und Standortkonkurrenz

Stellungnahme der GEW Studis Brandenburg zum Gespräch von Yasmin Fahimi mit der dpa am 29.12.2022

Potsdam | 30. Dezember 2022

Mit Irritation haben wir die in der Presse zirkulierten Äußerungen der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi zur Kenntnis genommen. Bezugnehmend auf die sogenannte Energiepreisbremse spricht sich Fahimi dagegen aus, die Auszahlung von Dividenden und Boni für Unternehmen zu verbieten, welche staatliche Energiesubventionen erhalten. Dieser Beschluss gefährde den deutschen Industriestandort und verstärke den Prozess der Deindustrialisierung. Jetzt sei, so Fahimi, „nicht die Zeit für kapitalismuskritische Grundsatzdebatten, sondern für effektives Handeln in der Realität.“

Als Studierende in der GEW in Brandenburg stehen wir sowohl für kritische Grundsatzdebatten als auch für effektives Handeln in der Krise. In Krisenzeiten staatliche Beschränkungen der Industrie im Namen vermeintlich allgemeiner Interessen abzulehnen, war jedoch jahrzehntelang eine bekannte Argumentationslinie der Arbeitgeberverbände. Dass die DGB-Vorsitzende nun bereits ein Verbot von Bonuszahlungen – 2009 im Kontext der Bankenrettungen noch eine unbestrittene DGB-Position – für illegitim erklärt, halten wir für symptomatisch für eine bedauernswerte Koordinatenverschiebung in der deutschen Gewerkschaftspolitik. Kapitalismuskritik erschöpft sich für uns nicht in Debatten um Managergehälter. Nicht die Boni-Zahlungen der Führungsriege, sondern die Interessen der abhängig Beschäftigten sollten im Zentrum der DGB-Politik stehen.

Wir sehen die Aufgabe der Gewerkschaften und des DGB darin, möglichst schnell gemeinsam mit den Beschäftigten zukunftsfähige Konzepte der Arbeit für die ökologisch-ökonomische Transformation zu entwickeln und durchzusetzen. Außerdem müssen wir den Fuß in die Tür der neueren Branchen bekommen und die Berufe am Menschen, wie in der Bildung oder Gesundheitsversorgung, stärken. Sich stattdessen den Rufen nach Marktliberalisierung, Standortkonkurrenz und einer Stärkung des Finanzmarktes anzuschließen, finden wir verheerend und falsch.

Digitaler Kick-Off – TVstud Brandenburg

++Weitersagen und Vorbeikommen++

🚩Kick-Off zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten (Einführung eines Tarifvertrages)

++Am Donnerstag (17.03.) um 18 Uhr online++

😤Die Arbeitsbedingungen der WHK und SHK an Brandenburger Hochschulen sind schlecht. Die Vertragslaufzeiten sind kurz und die Bezahlung zu niedrig. Grundlegende Rechte wie Urlaub oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werden oft nicht gewährt.

🗣Es wird Zeit, dass wir uns als studentische Beschäftigte zusammenschließen und uns für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Gemeinsam sind wir stark – ohne uns läuft im Wissenschaftsbetrieb nichts! Das sind beste Voraussetzungen, damit wir uns auch in Brandenburg einen studentischen Tarifvertrag (TVStud) erkämpfen.

⏰Wir treffen uns am Donnerstag (17.03.) um 18 Uhr auf Zoom zu unserer Auftaktveranstaltung. Wir wollen uns zu unseren aktuellen Arbeitsbedingungen an den Hochschulen austauschen und Strategien für die weitere Kampagne entwickeln. Die Zugangsdaten: https://uni-potsdam.zoom.us/j/68442776237 (Kenncode: 16526965).

📣Als gewerkschaftliche Initiative wollen wir diesen Tarifvertrag gemeinsam mit euch erstreiten. Das Momentum ist gut – bundesweit gibt es bereits studentische Initiativen in allen Bundesländern. Und auch erste Erfolge haben sich eingestellt: die Arbeitgeber*innenseite hat Gespräche zu einem TVStud Mitte diesen Jahres zugesagt. Jetzt müssen wir dranbleiben, sonst verpufft der Erfolg wieder!

❓Weitere Infos zu der Kampagne findest du hier: https://www.gewstudis-brandenburg.de/tv-stud-brandenburg/

💌Um auf dem Laufenden zu bleiben kannst du sehr gerne unserer Signal-Gruppe unter dem Einladungs-Link beitreten: https://signal.group/#CjQKIANaFozBv1ivc0pIDp2FThG9E7d2HFVWJ6467inIaRx9EhB3y3hBm5hdEr6pd1xvW8ZU

📲Folge unseren Social-Media-Accounts, dort stehen wertvolle Information zu deinen Rechten im Job und zu unserer Kampagne zur Verfügung:
Insta/Twitter: @tvstud_bbg

PM: Unterstützung des Brandenburger Wissenschaftsministeriums kam bei Studierenden nicht an

P R E S S E M I T T E I L U N G

Unterstützung des Brandenburger Wissenschaftsministeriums kam bei Studierenden nicht an

Studentenwerke konnte die Coronahilfen des Landes fast gar nicht auszahlen

28.06.2021

Potsdam – Der in der letzten Woche vom Studentenwerk Potsdam veröffentlichte Geschäftsbericht zeigt, dass dort gerade mal 41 Studierende im letzten Jahr von den Coronahilfen des Landes profitieren konnten. Auf Nachfrage der Studierenden in der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) beim zweiten Brandenburger Studentenwerk Frankfurt/Oder, bestätigte dieses, dass dort ebenfalls nur 25 Anträge bewilligt wurden. Damit betrug die Gesamtausschüttung der Coronahilfen an Brandenburger Studierende 19.800 € und damit fast schon lächerlich wenig.
Das Wissenschaftsministerium hatte den beiden Brandenburger Studentenwerken 500.000 € für Coronahilfen an Studierende zur Verfügung gestellt, dabei aber nur sehr schwer zu erfüllende Kriterien an die Vergabe der Gelder geknüpft.(1) So musste der Antrag auf Überbrückungshilfe beim Bund aus spezifischen Gründen zunächst abgelehnt worden sein. Rund 40 Prozent der Studierenden mussten in Coronazeiten mit weniger Geld auskommen. Dabei ist der Geldbeutel bei diesen oftmals schon chronisch knapp.
„Der Geschäftsbericht zeigt, wie wenig effektiv das Wissenschaftsministerium den notleidenden Studierenden tatsächlich geholfen hat. Gerade mal 61 der rund 50.000 Brandenburger Studierenden erreichte die Corona-Nothilfe.Natürlich wäre eigentlich der Bund verantwortlich gewesen. Hier wurde aber schon schnell nach Beginn der Pandemie klar, dass echte Hilfen von dort nicht zu erwarten sind. Die Ministerin hatte vollmundig Hilfen versprochen, die die Studierenden aber kaum erreicht haben.“, so der Sprecher der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) Jonathan Wiegers.
Andere Bundesländer haben auf die mangelnden Hilfen des Bundes effektivere Mittel zur Unterstützung der Studierenden gefunden. So hatte das Land Berlin bspw. einen „Fonds zur Teilhabe am Online Campus“ aufgelegt, bei dem sich die Studierenden vergleichsweise unbürokratisch einen Zuschuss zur Verbesserung ihrer technischen Ausstattung holen können.(2) Durch den Technikfonds konnten alleine in dem Zeitraum vom April 2020 bis März 2021 3.600 Studierende Unterstützung erfahren und damit auch im Verhältnis zu Brandenburg viel mehr Menschen geholfen werden.
„Es ist wirklich bedauerlich, wie öffentlichkeitswirksam die Unterstützung verkündet wurde und wie das Geld dann klammheimlich am Ende des letzten Jahres wieder eingesammelt wurde. Das Ministerium sollte in einer vergleichbaren Situation auf andere Instrumente setzen, die den Studierenden wirklich helfen.“, so die Sprecherin der GEW Studis Marina Savvides.

Den Geschäftsbericht des Studentenwerks Potsdam finden Sie unter dem folgenden Link unter dem Reiter „Publikationen“: https://www.studentenwerk-potsdam.de/wir-ueber-uns/unternehmenskommunikation/ (die Zahlen zur Coronahilfe des Landes gibt es auf S. 39).

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg vertritt knapp 9.000 Studierende, Pädagog*innen und Wissenschaftler*innen und ist die Bildungsgewerkschaft im deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Zur Gruppe der GEW Studierenden gehören alle Studierenden der GEW Brandenburg. 
Die Brandenburgische Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) ist die gesetzlich verankerte Landesvertretung der Studierendenschaften. Sie vertritt die ca. 50.000 Studierenden des Landes.

2 https://www.technikfonds-berlin.de/start

PM: „Das ist unsere Chance auf bessere Hochschulen!“

GEW Studierende Brandenburg:
„Das ist unsere Chance auf bessere Hochschulen“

 

Potsdam – Die Studierenden in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg veröffentlichen heute gemeinsam mit der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) einen Forderungskatalog zur Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes. „Die Hochschulen sind Orte des Lernens, des Arbeitens und der Wissensproduktion. Finanziert werden sie vor allem vom Land – also von uns allen. Davon merkt man an den Hochschulen allerdings recht wenig. Wir wollen, dass die Hochschulen ihrer gesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung gerecht werden. Das heißt konkret: Mehr Demokratie und Transparenz wagen, eine echte Anbindung an die Gesellschaft herstellen, Klimaschutz ernst nehmen und Forschung an friedlichen Zwecke binden.“, sagt die Sprecherin der GEW Studierenden, Sabrina Arneth.

Weitere Forderungen der Studierendenvertretungen beziehen sich auf Vielfalt und Antidiskriminierung, sowie auf die Studien- und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen. „Weder Studium noch Wissenschaft sind Ehrenämter. Die Arbeitsbedingungen an Hochschulen sind katastrophal und gute Lehre für die Studierenden beruht meist auf Selbstausbeutung der Beschäftigten. Aber auch das Studium muss durchlässiger werden: Es sollte allen – jenseits von Herkunft und Status – möglich sein, zu studieren, wenn sie das denn wollen. Dafür braucht es mehr Flexibilität und Selbstbestimmung im Studium, sowie die Kostenfreiheit von Hochschulbildung für die Studierenden.“, ergänzt Erik Zander, ebenfalls Sprecher der GEW Studierenden.

Ende Februar hatte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) um Vorschläge zur Weiterentwicklung des Gesetzes gebeten. Die Regierungsparteien hatten eine Novelle des Hochschschulgesetzes in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen. Mit ihrem Forderungspapier kommen die Studierendenvertretungen der Bitte des Ministeriums nach. Nach eigenen Angaben arbeitet das MWFK bereits an einem Gesetzesentwurf. Die Studierenden sind sich sicher, dass alle gemeinsam die Chance auf echte Verbesserungen nutzen werden. Der Referent*innenentwurf zum Gesetz wird Anfang 2022 erwartet.


Das Forderungspapier finden Sie zum Download unter: https://www.gewstudis-brandenburg.de/positionpapier-zur-bbghg-novelle/ 

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg vertritt knapp 9.000 Studierende, Pädagog*innen und Wissenschaftler*innen und ist die Bildungsgewerkschaft im deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Zur Gruppe der GEW Studierenden gehören alle Studierenden der GEW Brandenburg. 

Die Brandenburgische Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) ist die gesetzlich verankerte Landesvertretung der Studierendenschaften. Sie vertritt die ca. 40.000 Studierenden des Landes.

Redebeitrag zum ersten Mai 2021 – DGB Kundgebung in Potsdam

GEW Studis auf der Kundgebung zum 01. Mai 2021 in Potsdam. Alle Rechte vorbehalten.

Redebeitrag zum ersten Mai 2021 – DGB Kundgebung in Potsdam

Liebe Kolleg*innen, 
Es ist der zweite „erste Mai“ zu Pandemiezeiten. Man sollte meinen, dass gerade in Zeiten von Corona wieder einmal deutlich wird, dass wir nicht am Ende unseres Kampfes sind. Ganze Lebenszusammenhänge leiden seit über einem Jahr unter dem Kurzarbeitergeld. Der 12-Stunden-Tag wurde im Frühjahr 2021 kurzfristig auf dem Rücken von Arbeiter*innen in sogenannten „systemrelevanten Berufen“ wieder eingeführt. Der bundesweite Tarifvertrag in der Altenpflege scheitert an der Caritas. Die  großen Arbeitgeber, wie Lufthansa, Galeria-Kaufhof-Karstadt, TUI, Sixt oder ThyssenKrupp, erhalten unkomplizierte Soforthilfe. Doch wenn internationale Unternehmen Geld vom Staat bekommen, kommt das selten den Beschäftigten zu gute. Während die Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt werden und damit die Lohnkosten radikal sinken, zahlen BASF, Daimler, Volkswagen und Co. Millarden an Dividenden an ihre Anteilseigner aus. Im gleichen Moment stehen viele kleine und mittelständige Unternehmen, die vor allem die ostdeutsche Unternehmenslandschaft ausmachen, vor dem Bankrott; die Beschäftigten vor dem Arbeitsplatzverlust – und (oft) junge Menschen, die ihren Bildungsweg noch gar nicht abgeschlossen haben, Studierende, müssen sich jetzt verschulden, um ihr Studium weiter zu führen, während der Staat mit ihrer Not Profite macht. 
Da läuft doch alles schief! 

Gleichzeitig werden ganze Gruppen von Menschen vollkommen vergessen. Dazu gehören Geflüchtete, die in Lagern eingesperrt sind, keinen Abstand halten können, sich nicht isolieren können, oder an den europäischen Außengrenzen leiden. Dazu gehören auch ausländische Saisonarbeiter*innen, die teilweise in Containern ohne ausreichenden Gesundheitsschutz wohnen müssen und nun – inmitten einer Pandemie – vier Monate ohne Kranken- und Sozialversicherung arbeiten „dürfen“, während deutsche Erntehelfer*innen 2020 von den Medien als „Held*innen“ gefeiert wurden. 
All diese Dinge klingen in unseren Ohren so dramatisch, dass man meinen könnte, wir hätten sie uns zu populistischen Zwecken ausgedacht. Das ist nicht der Fall. Das sind die „goldenen 20er“!

Fragt man eine Person: „Willst du lieber ein gutes Leben oder ein schlechtes Leben haben?“ wird sie sagen, „Ein Gutes.“. Fragt man weiter, was denn dafür wichtig sei, kommt man häufig auf die Anwort: Gesundheit, finanzielles Auskommen, ein liebevolles und stabiles soziales Umfeld (Freund*innen, Familie, Partner*innenschaft) und ein Zuhause, in dem man sich wohl fühlt. Überall werden diese Grundpfeiler des guten Lebens aktuell angegriffen und wir, die Gewerkschaften, verharren im „Weiter wie bisher“. Wir müssen uns aber wandeln, weil die Welt sich wandelt. Wir alle wollen immer noch das gute Leben, mit guten Arbeitsbedingungen, auskömmlicher Entlohnung und Zeit für anderes – aber der Weg, wie wir dahin kommen können, hat sich gewandelt. Die Waffen derjenigen, die anzweifeln, dass alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und, ja, auch des Erwerbsstatus, ein gutes Leben haben können müssen, haben sich gewandelt: Unionbusting, Scheinbeteiligung, Populismus, Verschwörungmythen, Vereinzelung und Kapitalismus. 

Dabei sind wir mitten in einer größten Krisen der Menschheit. Nein, wir meinen nicht Corona, wir meinen die Klimakrise. Die Pandemie wird sich eingrenzen lassen, Corona und zukünftige Pandemien werden nicht ganz verschwinden, aber das so oft eingeforderte „normale Leben“ wird wieder möglich sein. Doch dieses normale Leben, was wir hier führen, geht massiv zulasten des Klimas und damit Zulasten der jüngeren Generationen. 
Wenn wir das Klima schützen wollen – wenn es um unser JETZT geht und um unsere Zukunft – dann wird es eine Transformation brauchen. Eine Transformation, die auch einen Strukturwandel in der Arbeit mit sich bringen wird. Wir stehen nicht mehr am Anfang, sondern wir sind mittendrin. Und wenn dieser Wandel nicht an uns vorbei passieren soll, dann müssen wir auch uns verändern. Wir müssen basisdemokratischer, mutiger, kämpferischer und selbstbewusster werden! Wir dürfen keine Angst davor haben, über die Zukunft und Utopien zu diskutieren! Wir müssen mehr Beschäftigte erreichen, sie einbeziehen und Kämpfe führen und gewinnen! 

Im Osten sind die Gewerkschaften schwach und die Tarifbindung eher niedrig, heißt es. Die Zerschlagung und Schließung eines großen Teils der ehemaligen Staatsbetriebe durch die Treuhand, hat verheerende Auswirkungen bis heute. Damals waren die westdeutschen DGB Gewerkschaften im Verwaltungsrat der Treuhand-Anstalt vertreten, konnten dessen Kurs der schnellen Privatisierung mit all ihren Brüchen also teilweise mitbestimmen. Zum Schutz der westdeutschen Arbeitsplätze und aus Angst vor der ostdeutschen Konkurrenz wurden Schließungen hingenommen, die Solidarität mit den ostdeutschen Arbeiter*innen hielt sich in Grenzen.
Auch wurden in den Betrieben teilweise Arbeitskämpfe ohne die Gewerkschaften oder mit neugegründeten Gewerkschaften, wie der NGG Ost, bestritten. Bischofferode ist hier vermutlich das bekannteste Beispiel. Die jüngere Zeitgeschichte zum Thema „Wiedervereinigung“ ist noch nicht aufgearbeitet. Es ist aber bereits sichtbar, dass es hätte besser laufen können und dass die Gewerkschaften vielleicht solidarischer, umsichtiger und aktiver zugleich hätten sein können. Die Wendezeit bedeutete einen schnellen Bruch, statt einer gemächlichen Annäherung. 

Und vor einem solchen Bruch stehen wir wieder! Auch wir haben die Klimakrise nicht rechtzeitig als die existenzielle Krise anerkennnen wollen, die sie ist. Doch diesmal muss es besser laufen – und besser heißt nicht ohne uns! 
Dabei müssen wir uns an die Spitze des Strukturwandels stellen und dürfen auch vor mutigen Forderungen nicht zurückschrecken. Wir müssen das gute Leben mit einem schnellen Ausstieg aus der Kohle verbinden. Wir dürfen uns nicht als Gegner*innen der Klimabewegung sehen, sondern als deren Partner und gemeinsam um gute Lösungen ringen. Noch können wir diesen Prozess gestalten, bevor wir nur noch passiv auf Hiobsbotschaften reagieren können.
Die Wende stellte die Systemfrage sowie die Klima- und Coronakrise sie heute dringender denn je stellen. Sowohl damals als auch heute lautet die Krise Kapitalismus. Erwerbslosigkeit ist ein Krisenphänomen – und kein individuelles Versagen – und wir als Gewerkschaften sind gefordert uns dieser Thematik offensiver zu stellen.

Wir möchten einen letzten Grund nennen, warum wir uns als Gewerkschaften wandeln müssen: In zweieinhalb Stunden werden sich auf diesem Platz, da wo wir aktuell stehen, die Menschenfeinde der AfD versammeln. Die AfD hat in ihren Reihen Antidemokraten und Neo-Faschisten, sie werten die „Deutschen“ auf und die anderen ab. Den Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen erkennen sie nicht an. Sie treffen sich heute am 1. Mai, dem Tag der Arbeiter*innen, unter dem Motto „Sozial ohne Rot zu werden“ – und wir? Wir machen ihnen Platz!

Rückschau auf den April 1933: 
  • Goebbels notiert: „Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auch auf diesem Gebiet (…). Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, aber dann gehören sie uns.“ 
  • Hitler erklärt den 1. Mai zum „Feiertag der nationalen Arbeit“.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Teile der AfD an diesen Weg anknüpfen wollen. Und nein, das heißt nicht, dass alle AfD-Wähler*innen Nazis sind, sondern dass alle AfD-Wähler*innen, Faschist*innen tolerieren und ihnen helfen, ihre Normalisierungstrategie umzusetzen. Aber das heißt nicht, dass nicht einige der angegebenen Gründe der AfD-Wähler*innen für ihre Wahlentscheidung nicht valide sind, dass die Ängste nicht real sind. 
Aber für uns ist klar: Ungleichwertigkeitsideologien können nie Grundlage unseres Handelns sein. Den Problemen und Ängsten ist solidarisch zu begegnen. 
Dass der DGB Kreisverband auf Anfrage der Jugend nicht bereit war, ihr Konzept für diese Kundgebung im Angesicht der AfD anzupassen, ist für uns ein Armutszeugnis. Deswegen rufen wir euch auf: Bleibt noch hier. Überlasst den rechten Menschenfeinden nicht den Platz und schließt euch dem Gegenprotest an, der ab 16.00 Uhr vor dem Filmuseum angemeldet ist. Nehmt die Gewerkschaftsfahnen mit. Damit sich 1933 nicht wiederholt, sagen wir: 1. Mai Nazifrei! 

Wir hätten jetzt viel mehr über die Stituation der Studierenden während Corona erzählen können, über das Wegbrechen der Nebenjobs, über das Versagen der Bundesregierung, Abhilfe zu schaffen, über die Novellen des Brandenburgischen Hochschulgesetzes sowie des Landespersonalvertretungsgesetzes, an denen wir gerade intensiv arbeiten… Aber die Dringlichkeit einer gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation ist höher und wir wollten diese Gelegenheit nutzen, um dazu das Wort an euch zu richten. 
Wir setzen uns im Rahmen unserer Tätigkeiten für eine Demokratisierung von Hochschulen, für ein Ende von Befristung und Prekarität und die Gleichbehandlung aller Beschäftigten an Hochschulen ein. Betriebliche Kämpfe, genauso wie Kämpfe um die Demokratisierung von Strukturen, sind Kommunikation. Wir zeigen damit allen, die die Demokratie schwächen wollen, dass kollektive Selbstwirksamkeit das wirksamste Mittel gegen den Faschismus ist. Im Angesicht aller Krisen, denen wir gegenüber stehen, ist das einer der wichtigsten Beiträge, den wir leisten können und müssen.

In diesem Sinne: Lasst uns uns gemeinsam wandeln und sagen: „Her mit dem guten Leben!“ Danke.